Diagnose der Zöliakie

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  3. Diagnose der Zöliakie
Frau beim Blutabnehmen, blond

Die Diagnose der Zöliakie stützt sich auf vier Säulen. Wichtig ist, dass sich der Patient vor der Diagnose normal, sprich glutenhaltig ernährt.

Vor der Diagnose: Glutenzufuhr und Glutenbelastung

Besteht der Verdacht auf Zöliakie, soll laut aktueller S2k-Leitlinie Zöliakie, die Glutenaufnahme des Patient*innen anamnestisch erhoben und dokumentiert werden. Wenn eine glutenfreie oder glutenreduzierte Ernährung bereits begonnen wurde, so kann eine sichere Diagnose erst nach der Glutenbelastung erfolgen. 

Personen mit Verdacht auf Zöliakie sollten vor einer serologischen bzw. histologischen Untersuchung regelmäßig, d.h. an mindestens 1-2 (ideal 3-4) Mahlzeiten des Tages, ausreichend Gluten zu sich nehmen. 

Glutenbelastung

Haben die Betroffenen bereits mit der glutenfreien oder glutenreduzierten Ernährung begonnen, sollen sie, sofern möglich, vor der Serologie bzw. Endoskopie eine glutenhaltige Kost mit täglich ca. 10g Gluten, vorzugsweise für 3 Monate zu sich nehmen.

10g Gluten sind enthalten in 100g Weißbrot, ungekochte Nudeln, helle Brötchen. 1 Scheibe Weizenbrot zu 40g enthält ca. 2,5g Gluten. 

Serologisches Screening: Für welche Personen wird es empfohlen?

  1. Erwachsene Patienten mit Symptomen, Anzeichen oder Laborwerten, die auf eine Malabsorption hindeuten
  2. Empfohlen wird das Screening von Familienmitglieder ersten Grades (HLA-Typisierung)
  3. Patienten mit erhöhtem Serum-Aminotransferase-Spiegel unbekannter Ursache
  4. Patienten mit Autoimmunerkrankungen: Insbesondere Diabetes Mellitus Typ 1 aber auch Down-, Turner- oder Williams-Syndrom
  5. Weitere Fälle:
  • Reizdarmsyndrom
  • erhöhten TransaminaseWerte der Leber ohne erkennbare Ursache
  • chronischen MagenDarm-Beschwerden
  • mikroskopischen Kolitiden
  • Morbus Basedow oder HashimotoThyreoiditis
  • Osteopenie/Osteoporose
  • Ataxien ohne erkennbare Ursache oder peripherer Neuropathie
  • wiederkehrenden Aphthen oder Defekte des Zahnschmelzes
  • Unfruchtbarkeit, habituellen Aborte, später Menarche, vorzeitiger Menopause
  • dem chronischen Ermüdungssyndrom
  • akuter oder chronischer Pankreatitis ohne erkennbare Ursache
  • Epilepsie, Kopfschmerzen, affektiven Störungen, AufmerksamkeitsdefizitStörungen/Verschlechterungen des Erinnerungsvermögens
  • Hyposplenie oder Asplenie
  • Psoriasis
  • Lungenhämosiderose
  • ImmunglobulinA-Nephropathie

1. Anamnese

Die Anamnese umfasst sowohl eine klassische Familienanamnese als auch eine Ernährungsanamnese, die gezielt auf glutenhaltige Lebensmittel ausgerichtet ist. Weiterhin wird in diesem Schritt das klinische Beschwerdebild abgefragt. Erfasst werden hierbei Symptome wie Durchfall, Gewichts- und Kraftverlust, aufgeblähter Bauch, Bauchschmerzen, Übelkeit und Wachstumsstörungen bei Kindern.

2. Serologie

  • Der Goldstandard bei der serologischen Untersuchung ist die Bestimmung der IgA-TG2-Antikörper.
  • Routinemäßig sollte auch immer das Gesamt-IgA bestimmt werden, da ein Immunglobulin-A-Mangel bei Zöliakiepatienten gehäuft (2-4%) vorkommt. Liegt ein IgA-Mangel vor, ist die serologische Diagnostik der Immunglobulin-A-Antikörper nicht verwertbar.
  • Bei Patienten mit Gesamt-IgA-Mangel sollten IgG-Antikörper gegen Gewebs-Transglutaminase (tTG-IgG), gegen Endomysium (EMA-IgG) oder gegen deamidierte Gliadinpeptide (dGP-IgG) bestimmt werden. 
  • Die HLA-Typisierung sollte nicht bei der Erstdiagnostik der Zöliakie eingesetzt werden, kann aber verwendet werden, um eine Zöliakie bei Menschen auszuschließen, die ihre Ernährung bereits auf glutenfreie Kost umstellten, bevor sie sich untersuchen ließen. Außerdem ist sie in Fällen geeignet, in denen eine Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der serologischen und histologischen Tests besteht (beispielsweise Schleimhautläsionen vom Typ 1 oder Typ 2 nach Marsh bei Patienten mit negativer Serologie). Sie kann des Weiteren bei Geschwisterkinder und Kinder von Zöliakiebetroffenen oder Kinder mit erhöhtem genetischen Risiken angewendet werden. 

Wichtig ist, dass sich der Patient vor der Diagnose normal, sprich glutenhaltig ernährt.

Die folgenden Tests sind nicht zur Diagnostik geeignet:

  • Antikörper gegen negatives Gliadin (AGA) oder Weizenkeim-Agglutinin (WGA)

  • Speichel- und Stuhltests

  • Blutschnelltests

 

Folgende Situationen können zu falsch negativen Testergebnissen führen und sollten berücksichtigt werden:

  1. angeborene oder erworbene Immundefekte
  2. Eiweißverlust über Darm, Niere oder Haut
  3. unter glutenreduzierte oder glutenfreie Ernährung

3. Biopsie

Bei Erwachsenen ist eine Biopsie des Zwölffingerdarms das Mittel der Wahl. Sie wird in Fällen mit einer positiven Serologie und auch solchen vorgenommen, in denen das Duodenum bei der endoskopischen Untersuchung normal erscheint. Zudem müssen mindestens sechs Proben aus verschiedenen Abschnittendes Duodenums einschließlich Bulbus duodeni und mittlerem und distalen Duodenum (jeweils zwei) entnommen werden. 

Bei Erwachsenen, die sich seit ein bis zwei Jahren glutenfrei ernähren, kann es hilfreich sein, die Biopsie zu wiederholen, um das Abheilen der Schleimhaut zu bestätigen. Dies gilt besonders für Menschen über 40 und Patienten, die vorher unter sehr schweren Krankheitssymptomen litten.

Eine erneute Biopsie ist auch erforderlich, wenn die glutenfreie Ernährung keine Besserung gebracht hat.

Klassifiziert werden die histologischen Veränderungen in diesen Proben nach Marsh. Typisch für Zöliakie sind zum einen eine erhöhte Anzahl der intraepithelialen Lymphozyten (IEL) sowie eine Hypertrophie/Hyperplasie und Verlängerung der Krypten. Die Dünndarmzotten bei Zöliakiepatienten sind verkürzt, reduziert oder fehlen komplett. Dies entspricht der Klassifizierung Marsh IIIa bis IIIc.

Die Marsh-Klassifikation

  • Marsh 0: Gesunde Dünndarmschleimhaut und Darmzotten

  • Marsh I: Vermehrte Intraepitheliale Lymphozyten (IEL) >25/100 Epithelzellen

  • Marsh II: Vermehrte IEL und Kryptenhyperplasie

  • Marsh IIIa bis IIIc: Vermehrte IEL und Kryptenhyperplasie, Dünndarmschleimhaut mit teilweise bis vollständig zurückgebildeten Darmzotten.

 

Wenn bei Erwachsenen eine Kontraindikation zur oberen Endoskopie mit Biopsieentnahmen (z.B. Patient*innen mit Gerinnungsstörung) vorliegt, kann bei einer tTG-IgA Konzentration >10fachen Wert des Grenzwertes, eine Diagnose ohne Biospie angeboten werden. Die Vorraussetzung dafür ist, dass EMA-IgA in einer zweiten Blutprobe nachgewiesen wurde. 

3.1 Biopsie: Neues aus der Pädiatrie

Bezüglich der Diagnose bestätigen das Dokument der ESPGHAN sowie die aktuelle Sk2-Leitlinie, die Möglichkeit, eine Zöliakie bei Minderjährigen auch ohne eine Biopsie zu diagnostizieren.

Dies gilt allerdings nur in den folgenden Fällen:

- TGA-IgA-Werte, die mindestens zehnfach über dem normalen Höchstwert liegen
- positiver Test auf Anti-Endomysium-IgA-Antikörper in einer zweiten serologischen Probe

Die Aufklärung über die Vor- und Nachteile einer Diagnose ohne Biospie, soll durch eine*n Kindergastroenterologen*in erfolgen. 

Der HLA-Test und das Vorliegen von Symptomen sind nicht länger Pflichtkriterien für die Durchführung eines diagnostischen Verfahrens ohne Biopsie

4. Testphase unter glutenfreier Ernährung

Nach der serologischen und histologischen Untersuchung folgt der strikte Ausschluss glutenhaltiger Lebensmittel aus dem Speiseplan. Die Zöliakiediagnose gilt als bestätigt, wenn sich die Symptome bessern und wenn sich bei einer erneuten Serologie zeigt, dass die Antikörper auf die glutenfreie Ernährung ansprechen. Gerade für Neudiagnostizierte ist bei der Umstellung der Essgewohnheiten die Unterstützung durch eine kompetente Ernährungsberatung von zentraler Bedeutung.

Follow Up

Regelmäßgie Verlaufskontrollen werden in folgenden Abschnitten empfohlen:

Zur Diagnosestellung Körperliche Untersuchung, Ermittlung , Beratung und Schulung über die Zöliakie, Ernährungsberatung, Screening für Familienangehörige empfohlen (DQ2, DQ8 und Serologie), Empfehlung Zöliakie-Patientenverband, Routine-Untersuchtungen (Blutbild, Eisen, Folate, Vitamin B12, Schulddrüsenfunktionswerte, Leberenzyme, Kalzium, Phosphate, Vitamin D
Nach 3 bis 4 Monaten Beurteilung der Symptome und des Verlaufs Beurteilung der Ernährung
Nach 6 Monaten Beurteilung der Symptome Beurteilung der Ernährung Serologie Wiederholung der Routine-Untersuchungen (falls es zuvor auffällige Werte gab)
Nach 1 Jahr Beurteilung der Symptome Klinische Beurteilung Beurteilung der Ernährung Serologie Wiederholung der Routine-Untersuchungen
Nach 2 Jahren Beurteilung der Symptome Beurteilung der Ernährung (bei Bedarf) Serologie Untersuchung der Schilddrüsenfunktion Sonstige Untersuchungen anhand der klinischen Beurteilung
Nach 3 Jahren Knochendichtemessung (falls vorherige Werte auffällig waren) Beurteilung der Symptome Beurteilung der Ernährung Serologie Untersuchung der Schilddrüsenfunktion Sonstige Untersuchungen anhand der klinischen Beurteilung
Zöliakie - Schritte zur Diagnose und Therapie

Diese Übersicht zeigt die Symptome und die Diagnose der Zöliakie auf.

 

Infografik Zöliakie
Wissensupdate zu Zöliakie und glutenbedingten Erkrankungen

Lernen Sie mit dem umfassenden Leitfaden der European Society for the Study of Coeliac Disease (ESsCD) und  European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN), wie Sie die Diagnose und Therapie von Zöliakie und anderen glutenbedingten Erkrankungen verbessern können.